Fischseuchen
Wichtige Hinweise vorab
Ab dem 21. April 2021 gelten die tierseuchenrechtlichen Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/429 (Animal Health Law – AHL) sowie die entsprechenden Tertiärrechtsakte (Delegierte Verordnungen, Durchführungsverordnungen und Durchführungsbeschlüsse). Mehr Informationen dazu im Infoschreiben des LAVES.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) prüft aktuell die Konsistenz nationaler Vorschriften mit dem AHL und hat aber auch darauf hingewiesen, dass nach Geltungsbeginn des AHL das EU-Recht (AHL und Tertiärrechtsakte) das nationale Recht überlagert. Demzufolge dürfen gleichlautende oder entgegenstehende nationale Regelungen nicht mehr angewendet werden. Soweit das EU-Recht es zulässt können die übrigen Regelungen angewendet werden.
Da eine Anpassung des nationalen Rechts noch nicht in allen Bereichen erfolgt ist, wird eine Überarbeitung des Artikels unter Berücksichtigung des nationalen Rechts regelmäßig erfolgen.
Wassertierseuchen, hierzu zählen auch alle Fischseuchen, können zu hohen Verlusten in Aquakulturbetrieben, sonstigen Fischhaltungen und gegebenenfalls auch in Wildfischbeständen führen. Die EU sieht seit dem 21.04.2021 gemäß der Verordnung (EU) 2016/429 (Animal Health Law – AHL) sowie den entsprechenden Tertiärrechtsakten (Delegierte Verordnungen, Durchführungsverordnungen und Durchführungsbeschlüsse) Mindestbekämpfungsmaßnahmen zum Schutz gegen bestimmte Fischseuchen vor.
Die Einordung dieser Seuchen wurde mit Einführung es AHL von der Anzeige- bzw. Meldepflicht in eine Kategorisierung der Tierseuchen überführt (Art. 9 AHL). Hierbei müssen nun gegen gelistete Seuchen der Kategorie A unmittelbar Tilgungsmaßnahmen ergriffen werden, da es sich hierbei um Seuchen handelt, die in der EU normalerweise nicht auftreten. Derzeit sind keine Wassertierseuchen der Kategorie B gelistet. Weiterhin gibt es Seuchen der Kategorie C, die in einigen EU-Mitgliedsstaaten relevant sind und gegen die daher Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine Ausbreitung zu verhindern. Hierzu dienen optionale Bekämpfungsmaßnahmen und Tilgungsprogramme, sowie die Möglichkeit eine amtliche Seuchenfreiheit zu erreichen (Anhang VI Teil II der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689). Weiterhin werden Seuchen der Kategorie E definiert als Seuchen, die innerhalb der Union überwacht werden müssen.
Für die Bekämpfung von Wassertierseuchen sind in der Regel die Veterinärbehörden der Landkreise und der kreisfreien Städte zuständig. Diese können dabei von Fachdiensten, etwa Fischseuchenbekämpfungs- und Fischgesundheitsdiensten, unterstützt werden.
Bei den zu bekämpfenden Wassertierseuchen handelt es sich um Krankheiten, die bei Fischen, Weichtieren und Krebstieren auftreten können. Diese Krankheiten können sich, z. B. durch das Verbringen lebender Fische, sehr schnell und über große Distanzen verbreiten. Es gelten daher Vorschriften über und Einschränkungen für den Handel mit lebenden Fischen.
Für den Menschen stellen die anzeigepflichtigen Fischseuchen nach derzeitigem Kenntnisstand keine gesundheitliche Gefahr dar.
Bei den gelisteten Wassertierseuchen handelt es sich um Erkrankungen, die von Viren oder im Falle von Weichtieren von Parasiten verursacht werden. Beim Ausbruch bzw. Verdacht einer Fischseuche treten Schutzmaßregeln in Kraft, die vor allem dazu dienen, die Verbreitung der Seuche zu verhindern. Darüber hinaus müssen epidemiologische Nachforschungen erfolgen, um die Einschleppung der Seuche aufzuklären und um mögliche Verschleppungen zu verfolgen.
Kategorisierung der Wassertierseuchen gemäß Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882
Kategorie A + D + E
Fische
- Epizootische Hämotopoetische Nekrose (EHN)
Krebstiere
- Infektion mit dem Taura-Syndrom-Virus
- Infektion mit dem Virus der Gelbkopf-Krankheit (Yellowhead-Disease-Virus)
Weichtiere
- Infektion mit Perkinsus marinus
- Infektion mit Microcytus mackini
Kategorie B + D + E
Fische keine
Krebstiere keine
Weichtiere keine
Kategorie C + D + E
Fische
- Virale Hämorrhagische Septikämie (VHS)
- Infektiöse Hämatopoetische Nekrose (IHN)
- Infektion mit dem HPR-deletierten Virus der Ansteckenden Blutarmut der Lachse (HPRdel ISAV)
Krebstiere
- Infektion mit dem Virus der Weißpünktchenkrankheit (WSDV)
Weichtiere
- Infektion mit Bonamia exitiosa (ehemals exotische Seuche)
- Infektion mit Bonamia ostreae
- Infektion mit Marteilia refringens
Die jährliche Inzidenz (Neuausbrüche) der Forellenseuche VHS war bis 2013 deutlich rückgängig. Nach einem starken Anstieg der Fallzahlen in 2017 ist seither ein zunächst deutlicher Rückgang in 2018 und danach ein gleichbleibend niedriges Niveau der Fallzahlen zu verzeichnen (Abbildung 1). Diese Fischseuche hat für Deutschland weiterhin die größte Bedeutung. Sie kann zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen führen.
Die ebenfalls bei Forellen vorkommende Seuche IHN weist im Durchschnitt eine deutlich geringere jährliche Inzidenz im Vergleich zu VHS auf. In den Jahren 2018 bis 2020 wurden in Niedersachsen keine Ausbrücke dieser Fischseuche verzeichnet. Aufgrund eines weitgreifenden Seuchengeschehens in 2021 wurde ein starker Anstieg der Fallzahlen in diesem Jahr verzeichnet (Abbildung 2).
Eine Infektion mit dem HPR-deletierten ISAV führt in Lachspopulationen zu hohen Verlusten, wurde in Deutschland jedoch noch nicht nachgewiesen.
Die KHV-I kann zu hohen Verlusten in sowohl Zier- als auch Nutzkarpfenpopulationen führen und wird regelmäßig in Deutschland festgestellt. Wenngleich im Jahr 2017 ein zusammenhängendes, deutschlandweites KHV-I-Geschehen zu einem deutlichen Anstieg der Inzidenz im Vergleich zu den Vorjahren geführt hatte, nimmt die jährliche Inzidenz der KHV-I seit 2017 deutlich ab (Abbildung 3).
Ausbrüche von Weichtier- oder Krebstierseuchen wurden in Deutschland noch nicht festgestellt.
Aktuelle Übersichten über Ausbrüche anzeigepflichtiger Fischseuchen können dem TierSeuchenInformationsSystem (TSIS) entnommen werden. Mehr Informationen zu Fischseuchen erhalten Sie auf der Homepage des LAVES.
Wie erkennt man die Fischseuchen?
Anzeichen für eine mögliche Infektion mit der VHS, IHN, ISA oder KHV-I können sein:
- Deutlich erhöhte Todesrate
- Dunkelverfärbung der Fische (VHS und IHN - Abbildung 4)
- Glotzaugen (VHS und IHN - Abbildung 4)
- Apathie
- Anormales Verhalten (z.B. Drehen um die Längsachse)
- Eingefallene Augen (KHV-I - Abbildung 5)
- Schleimhautablösung (KHV-I)
- Flossenveränderungen (KHV-I)
- Kiemennekrosen (KHV-I - Abbildung 5)
- Sogenannte "Randsteher" – die Fische halten sich teilnahmslos im Uferbereich oder an der Wasseroberfläche auf
- Blutungen in der Muskulatur und in den inneren Organen (VHS und IHN - Abbildung 6)
Fische können jedoch auch infiziert sein oder sogar sterben, ohne dass typische Symptome beobachtet werden können.
Die Sterblichkeitsrate ist bei den verschiedenen Fischseuchen und in Abhängigkeit u. a. von dem Allgemeinbefinden, der Fischart, der Altersklasse, den Temperaturbedingungen und der Erregervirulenz unterschiedlich. VHS-, IHN-, ISA- und KHV-I-Ausbrüche führen in der Regel zu hohen Verlusten. Im Falle der KHV-I können diese bis zu 100 % betragen!
Wie werden Fischseuchen übertragen?
Direkt von Fisch zu Fisch über Sekrete und Ausscheidungen oder vertikal (über Fischeier).
Indirekt über Geräte, Transportfahrzeuge, Menschen und Tiere, welche die Erreger aufnehmen und verschleppen können: Kleinstlebewesen im Wasser, Vögel und auch Säugetiere. Vor allem der Kormoran und der Graureiher stehen in Verdacht Fischseuchenerreger über den Schnabel oder auch über ihre Ausscheidungen übertragen zu können. Der Mensch kann Fischseuchenerreger durch nicht gereinigte und desinfizierte Kleidung, Schuhe oder Hände übertragen.
Vorbeugung
Jeder Tierhalter ist gemäß (EU) 2016/429 (Art. 10 Abs. 1 Buchst. a AHL) verpflichtet, Biosicherheitsmaßnahmen vorzuhalten, die das Risiko der Erregereinschleppung und -verschleppung minimieren sollen. In dem Zusammenhang sind der Zukauf von Besatztieren aus seuchenfreien bzw. aus überprüften Beständen, Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen oder der Schutz gegen fischfressende Tiere zu nennen. Mehr Informationen zu den Themen Biosicherheit, Reinigung und Desinfektion und zur Überspannung, Einhausung und Umzäunung von Aquakulturbetrieben auf der Homepage des LAVES.
Was ist bei Verdacht auf Fischseuchen zu tun?
Bereits der Verdacht auf Vorliegen einer gelisteten Seuche muss der zuständigen Veterinärbehörde gemeldet werden. Für Seuchen der Kategorie A + D + E gilt hierbei die Maßgabe einer unverzüglichen Meldung, wohingegen Seuchen der Kategorien B, C oder E so bald wie möglich gemeldet werden müssen.Die Amtstierärztin bzw. der Amtstierarzt untersucht den Bestand und wird bzw. kann eine Probenahme zwecks Labordiagnose veranlassen. Schutzmaßregeln werden bei Feststellung eines amtlichen Verdachts bzw. nach Feststellung des Ausbruchs angeordnet. Lebendfische des betreffenden Bestands können in dem Fall nur nach Genehmigung der zuständigen Behörde und nur zur unmittelbaren Schlachtung, zur diagnostischen Untersuchung oder in andere infizierte Bestände abgegeben werden ("Bestandssperre"). Kontaktbestände (ermittelt über den Wasserlauf, Fischbewegungen etc.) werden unter amtliche Beobachtung gestellt. Eine Schutz- und eine Überwachungszone werden festgelegt.
Amtlich angeordnete Schutzmaßregeln sind unbedingt einzuhalten, um das Risiko einer Ausbreitung der Seuche so gering wie möglich zu halten. Desinfektionsmaßnahmen müssen getroffen werden, um einer Verschleppung vorzubeugen.
Informieren Sie schon bei dem geringsten Verdacht auf eine Fischseuche Ihren Tierarzt, denn ein nicht geäußerter Verdacht kann verheerende Folgen, auch für andere Bestände haben.
Fang von Forellen